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Der Groß-
inquisitor

"Besonders eindrucksvoll waren jene Passagen, in denen Ungermann in die Rolle des alten Großinquisitors schlüpfte"

(Kreis-Anzeiger 15.10.07)

 

Pressestimme zu "Der Großinquisitor" – Eine szenische Lesung

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"Beklemmende Atmosphäre im Kirchenschiff"

Theaterensemble TheodoBo präsentiert szenische Lesung "Der Großinquisitor" von Fjodor Dostojewski bei Barlach-Ausstellung in Marienkirche

von JUTTA MARTINI (Kreis-Anzeiger vom 15.10.2007)

BÜDINGEN. "Geh und komme nie wieder. Komme überhaupt nicht mehr. Nie wieder, nie wieder!" Laut schallte die Stimme Gerd Ungermanns durch die Marienkirche, so dass viele Zuhörer regelrecht zusammenzuckten. Mit diesen Worten entließ der Großinquisitor, den der Büdinger Schauspieler darstellte, Jesus aus dem Kerker und die Zuhörer nach einer packenden, mehr als eineinhalbstündigen Lesung in die Nacht. Die jüngste Sonderveranstaltung zur Ausstellung "Ernst Barlach - Mystiker der Moderne" bestritt das Theater ohne doppelten Boden (TheodoBo) mit der szenischen Lesung "Der Großinquisitor" des russischen Dichters Fjodor Dostojewski. Erst zum vierten Mal lasen Sylvia Oster und Gerd Ungermann das fünfte Kapitel des fünften Buches aus dem Roman "Die Brüder Karamasow".

"Es ist ein schwieriger Stoff", begründete Ungermann die seltenen Vorführungen. "Aber im Rahmen der Ausstellung passend." Das sahen auch die Zuhörer so, die am Ende den beiden Darstellern sowie Helmut Rüb an der Technik mit langem Applaus dankten. In der Geschichte lässt Dostojewski Jesus nach 1500 Jahren wieder die Erde besuchen. Die Handlung spielt im 16. Jahrhundert in Sevilla zur Zeit der Inquisition mit Folter und massenhaften Verbrennungen von Ketzern. Obwohl Jesus unauffällig gekleidet ist und nichts spricht, wird er von allen erkannt. Der greise Großinquisitor lässt ihn verhaften und besucht ihn im Verlies zum Verhör. Während der ganzen Zeit sagt Jesus kein Wort, und die Rede des Großinquisitors gerät zunehmend zu einer Lebensbeichte und zu einer Anklage gegen Jesus, der in der Welt, wie sie die Kirche geschaffen habe, nichts zu suchen habe.

Oster und Ungermann saßen an einem mit Kerzen beleuchteten Tisch vor dem Annenchor, die Zuhörer im Halbkreis ganz nah an den Akteuren. Einzige Lichtquelle im Kirchenschiff der Marienkirche war das beleuchtete mittelalterliche Altarkreuz. Gregorianische Gesänge und sakrale Musik unterstrichen immer wieder die beklemmende Atmosphäre des Dostojewkischen Textes, den Oster und Ungermann im Wechsel vortrugen. Besonders eindrucksvoll waren jene Passagen, in denen Ungermann in die Rolle des alten Großinquisitors schlüpfte und mal mit schmeichelnder leiser Stimme, mal aufbrausend auf den Gefangenen einredete. Anhand der drei Versuchungen Jesu legt der Großinquisitor die Schwächen und Bedürfnisse der Menschen dar und wie die Kirche, anders als Jesus, diese befriedigt. Der Mensch verkaufe seine Freiheit für Brot, so der Großinquisitor, und darum habe Jesus schlecht daran getan, der Freiheit den Vorrang einzuräumen. Der Mensch verknechte sich freiwillig und bete denjenigen an, der seine Wünsche und Sehnsüchte erfülle. Auch habe die Kirche den schwachen Menschen die Entscheidung darüber abgenommen, was gut und was böse sei. Auch mit dieser Freiheit seien die Menschen überfordert. Und zuletzt habe die Kirche Schwert und Purpur des Kaisers ergriffen, um ein einziges Reich zu schaffen. Damit wird eine dritte Sehnsucht des Menschen erfüllt, die nach einer alles umfassenden Vereinigung.

Zugegeben: Kein leichter Stoff war diese Lesung in Büdingens Marienkirche, in der Fjodor Dostojewski nicht nur mit der katholischen Kirche abrechnet, sondern in der auch menschliche Eigenschaften, die nicht nur in Bezug auf die Religion ausgenützt werden können, dargestellt werden. Doch passte sie hervorragend in die aktuelle Ausstellung, zeigt sich doch in vielen Werke Ernst Barlachs die Suche nach etwas, das weit über die physische Welt hinausgeht.