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Der Groß-
inquisitor

"Die szenische Lesung (...) fesselte die Zuhörer."

(Kreis-Anzeiger 13.08.07)

 

Pressestimme zu "Der Großinquisitor" – Eine szenische Lesung

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"Altes Sandsteingemäuer atmet Geschichte"

Szenische Lesung im Großen Bollwerk - ThedoBo stellt Dostojewskijs "Großinquisitor" dar - Stadtbildhauerin arbeitet seit Wochen auf Hochtouren

von MONIKA EICHENAUER (Kreis-Anzeiger vom 13.08.2007)

BÜDINGEN. Es war mucksmäuschenstill im Bollwerk. Außer den Stimmen von Sylvia Oster oder Gerd Ungermann des "Theaters ohne doppelten Boden" (TheodoBo) war nichts zu hören. Zuweilen erklangen getragene Musik und Gesang, sie kamen von oben, aus Nischen des Turms. Die Atmosphäre war dicht, einzig Kerzen und Fackeln beleuchteten das Bollwerk. Die szenische Lesung aus dem "Großinquisitor" von Fjodor Michailowitsch Dostojewskij fesselte die Zuhörer. Sie lauschten gebannt dem Vortrag und der Musik und bekannten bereits in der Pause: "Es ist unheimlich spannend. Die Atmosphäre ist toll. Es gibt kaum einen besseren Ort als das Große Bollwerk für diese Geschichte."

In der Tat spielt der "Großinquisitor", ein Teil des Romans "Die Brüder Karamasow", in düsteren Verliesen in Sevilla zur Zeit der spanischen Inquisition im 16. Jahrhundert. Also nur etwas später als die Zeit, in der der trutzige Sandsteinturm gebaut wurde. Darauf hatte Markus Karger, ebenfalls von TheodoBo, bei der Begrüßung der Gäste hingewiesen. Das mächtige Bollwerk wurde etwa um 1490 errichtet und war der erste Turm der äußeren Festungsanlage. Durch die Streichwehr wurde er mit dem benachbarten Hexenturm verbunden, der bereits als Turm der älteren Stadtmauer von 1390 gestanden hatte, aber um 1500 wohl um ein Stockwerk erhöht wurde. Nach der grundlegenden Sanierung von Bollwerk, Hexenturm und Streichwehr, die im Mai dieses Jahres mit einer kleinen Feier abgeschlossen wurde, soll mit der Reihe "Kunst im Bollwerk" der Turm mit seinen acht Meter dicken Mauern für Lesungen, kleinere Theaterszenen und Ausstellungen genutzt werden, die das Touristik-Center organisiert. Davor kann man jeweils das historische Ensemble besichtigen, von dem aus sich ein prächtiger Blick über Büdingens Altstadt bietet.

Mit der szenischen Lesung von TheodoBo stiegen die Besucher hinab in die Verliese der Inquisition, der Großinquisitor sprach über Freiheit, die die Menschen nicht ertragen würden. Oster und Ungermann waren in schwarz gekleidet, trugen scharf und klar vor. Ungermann kam als Großinquisitor auch einmal im langen Sackleinengewand die schmale Wendeltreppe herunter. Seine Schritte knirschten in der Stille. Die Lesung an diesem Ort erzeugt ganze andere Gefühle, als wenn man den Text zuhause gemütlich auf der Couch liest. Denn dort im Turm ist es ebenso dunkel und feucht, wie es in Kerkern des 16. Jahrhundert gewesen sein muss. Das alte Gemäuer atmet Geschichte. Die szenische Lesung gefiel den Zuhörern, gerade weil sie an diesem Ort so authentisch dargestellt wurde."Auch die Musik dazu war gut ausgewählt", erklärten einige am Schluss. Ungermann hatte unter anderem Oberton-Gesang und langsame Chormusik wie auch ein Adagio von Georg Friedrich Händel ausgesucht.

Im Bollwerk hat auch Stadtbildhauerin Ulrike Degenhardt einige Steinmetzarbeiten ausgestellt. Die exponierten Köpfe mit aufgerissenen Mündern und etliche freundlich ausschauende dicke Männer machen sich - nur von Kerzen beleuchtet - in den Nischen des Gangs zum Hexenturm gut. Selbst im sonst düsteren Verlies, in dem vor Jahrhunderten Gefangene festgehalten wurden, stehen bei Kerzenschein einige Skulpturen und geben diesem Raum, über dem ganz oben das so genannte Angstloch einziges Licht gibt, neues Leben. Der "Kussfisch" mit seinem gespitzten Mund, eine kleine weiße Meerjungfrau und als schwarzes Relief eine nackte Schöne sind dort zu sehen, allerdings auch eine roh behauene Steinfratze. Im vorderen Raum, in dem die szenische Lesung stattfand, sind eng umschlungene Liebende und kleinere Skulpturen aufgestellt, ein üppiger Engel hockt in einer Nische. Die Stadtbildhauerin hatte in den vergangenen Wochen vor dem Bollwerk zum einen verschiedene Steinmetz-Workshops gegeben, zum anderen arbeitet sie dort an einer Bacchus-Figur, die für einen Neustadt-Brunnen gedacht ist. Einen solchen gab es bereits, er stand vor dem heutigen Lokal "Pressluft", musste dort allerdings vor etwa hundert Jahren weichen, als das Verkehrsaufkommen ebenso wie die Wagen größer wurde. So wurde eine breitere Kurve in Obergasse und Altstadt geschaffen, der der Brunnen zum Opfer fiel. Ihn zierte einen auf einem Fässchen sitzender Bacchus. Einen solchen neuen, aus altem Sandstein hat Ulrike Degenhardt bald fertig. Ihr würde ein neuer, wenn auch kleinerer Brunnen an dieser Stelle auf dem erweiterten Bürgersteig gut gefallen: "Hauptsache, es plätschert da etwas. Das belebt", sagt sie schmunzelnd und umarmt den Bacchus.