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"Das Ensemble gestaltete einen Kosmos der überengagierten Phantasten und resignierten Chaoten (...)"

(Wetterauer Zeitung 25.05.05)

 

Pressestimme zu "Gretchen 89FF" – Ein Theaterkabarett

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"Ein Universum voller schräger Vögel"

TheodoBo zeigte auf humorige Weise die konfliktgeladene Arbeit an der "Kästchenszene" in Goethes "Faust"

(Wetterauer Zeitung vom 25.05.2005)

NIDDATAL-ASSENHEIM (udo) In Lutz Hübners Stück "Gretchen 89ff." arbeiten sich in Markus Kargers Fassung die Schauspieler Andreas Hesse und Gerd Ungermann in zehn Szenen als unterschiedlich begabte, erfahrene und versierte Regisseure an Sylvia Birgit Oster als Gretchen, Diva und Dramaturgin beim Versuch ab, die Szene im ersten Teil des "Faust" zu inszenieren. In ihr spürt Gretchen den Schmuck auf, mit dem Mephistopheles ihr Herz für den Titelhelden endgültig gewinnen möchte - und den das Mädchen zum Leidwesen des Verführers dem Pfarrer und der Kirche überlassen muss. Später bekommt sie aber neuen, schöneren Schmuck und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Vor einem kargen Bühnenbild begrüßte KuK-Kulturkustodin Renate Mann das Ensemble von TheodoBo (Theater ohne doppelten Boden) und die Gäste in der ehemaligen Synagoge. Nach einer Filmvorführung der Kästchenszene, die ans Muster und Original erinnerte, entwickelte Regisseur Markus Karger im dialektischen Prolog mit vielen geschliffenen Worten die Frage, was denn überhaupt das Original sei.

Die erste Szene brachte als "Schmerzensmann" einen frustrierten, kettenrauchenden Regisseur, der an überzogenen Vorstellungen, die sich nicht realisieren lassen, laboriert und Gretchen schwer zur Last fällt. Die Komik, die sich aus seinem ambitionierten Gerede und den hilflosen Versuchen der Aktrice, ihm gerecht zu werden, ergab, wurden vom Publikum genossen und sorgte für anhaltende Erheiterung.

Der "Alte Haudegen" der zweiten Szene ist ein anachronistisches Reptil aus längst abgelegten Epochen. Der verknöcherte Pedant bringt seine Zeit mit Erinnerungen und Anekdoten hin. Ein besoffener Tasso habe einmal fünfzehn Minuten lang versehentlich den Text des Wallenstein gesprochen, und keiner habe es gemerkt, weiß er und sabotiert mit seinen immer neu über ihn hereinbrechenden Reminiszenzen den Probenbetrieb. Das "Tourneepferd" ist ein um Charme bemühter klebriger Folklore Wiener von heurigenseliger Penetranz, der ein niedliches Ppperetten- und Heimatfilm-Gretchen entwirft.

Was irgendwie "aufhält", muß beim Streicher weg, der denn auch das Kästchen wegläßt und Gretchens Faszination von Faust durch "toller Mann" zum Ausdruck gelangen läßt - am Ende wird auf die ganze Szene verzichtet. Während der volltrunkene, ordinäre "Freudianer" die Schauspieler demontiert und alles auf Libidinöse reduziert, die Schauspieler anhält, sich selber zu spielen und Gretchen als Domina verkleidet, zappelt die teeniehaft gewandete "Anfängerin" aufgeregt herum, nervt ihren gelangweilten Regisseur, verblüfft mit immer neuen Verbesserungsvorschlägen und sorgt mit nervigem Quietschen und Stöhnen für beste Laune.

Nach der Pause prallte eine duldende "Diva", die bewegt auf eine bessere Vergangenheit zurückblickt, lautstark auf einen unerfahrenen Regisseur. Die Allüren, Empfindlichkeiten und Ränke des Schauspielers allgemein wurden karikiert, die "Dramaturgin" mühte sich genial, verkannt und erfolglos mit einem desinteressierten Akteur ab, wobei keiner ihren kühnen Konzeptionen folgen konnte, und der "Hospitant" kasperte aufgeregt und überfordert über die Bühne und fand alles "soo toll".

Das Ensemble gestaltete einen Kosmos der überengagierten Phantasten und resignierten Chaoten mit Neurosen und Charakterschwächen aller Art und beeindruckte durch Vielseitigkeit und die Fähigkeit, in kurzer Zeit völlig verschiedene Charaktere zu realisieren. Das Publikum dankte für zwei anregende und amüsante Stunden, die immer wieder von Applaus unterbrochen wurden.