Home Produktionen Workshops "on demand" Termine über uns Kontakt
 

"mal humorvoll, mal abgründig, aber immer fesselnd"

(Kreis-Anzeiger 10.10.11)

 

Pressestimme zu "Lady Shakespeare"

weitere Pressestimmen

zurück zur Stückbeschreibung

Imaginären Briefwechsel fantastisch in Szene gesetzt

von Monika Eichenauer (Kreis-Anzeiger vom 10.10.11)

BÜDINGEN Eigentlich war es „nur“ ein imaginärer Briefwechsel, aber er wurde fantastisch in Szene gesetzt. Sylvia Oster und Gerd Ungermann vom „Theater ohne doppelten Boden“ (Theodobo) erweckten William Shakespeare und seine Frau Anne Hathaway zum Leben. Mit diesen beiden Figuren zogen sie das aufmerksame Premierenpublikum von „Lady Shakespeare oder die Frau aus Stratford“ am Samstagabend im Pferdestall in ihren Bann, mal humorvoll, mal abgründig, aber immer fesselnd.

Mit dazu bei trug die ausgefeilte musikalische Begleitung durch Gerhard Schaubach am Piano. Mit ausgewählten Stücken ebenso wie mit Akzente setzenden Klängen unterstrich er die jeweilige Stimmung. „Man möchte am liebsten nach jeder Szene klatschen“, äußerte ein Zuschauer in der Pause seine Begeisterung, fügte allerdings hinzu: „Dann würde man aber wahrscheinlich die konzentrierte Stimmung stören“. Eine Besucherin merkte an: „Die beiden gehen so prima in ihren Rollen auf, als ob sie die Briefe selbst geschrieben hätten“.

Der fiktive Briefwechsel stammt allerdings aus der Feder von Anca Visdei. Sie wurde in Bukarest geboren, emigrierte aus politischen Gründen in die Schweiz und ließ sich nach ihrem Studium der Rechtswissenschaft und der Kriminologie in Paris nieder. Sie arbeitet als Journalistin und Autorin. Ihre Theaterstücke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seinen Ausgang nimmt Visdeis Stück durch einen Stapel unveröffentlichter Briefe, der durch Zufall vier Jahrhunderte, nachdem sie geschrieben wurden, in die Hände des Herausgebers gelangt. Sie offenbaren sich als private Korrespondenz zwischen William Shakespeare und seiner Frau Anne. Das Stück umfasst eine Zeitspanne von fast 25 Jahren ab 1586. So setzt sich Wort für Wort, Brief für Brief ein detailgetreues Bild nicht nur des Ehelebens Shakespeares, sondern auch seiner Zeit zusammen.

Im Briefwechsel zwischen Anne und „Will“ geht es um die zentrale Frage, die in Literaturkreisen so einfach wie kontrovers diskutiert wird: Hat Shakespeare all die großen Dramen wirklich selbst verfasst? Der Briefwechsel, dessen Schreiber Oster und Ungermann in ihrer szenischen Lesung mit großem Gefühl und feinsinnigem Humor hervorragend darstellen, will mit einem Augenzwinkern deutlich machen: Es war Anne, die ihn rigoros zum Schreiben angetrieben und nach London geschickt hat, wo er „das schlichteste Zimmer in einem bescheidenen Gasthof“ bezogen hat. Sie fordert ihn aber auf, in eine noblere Herberge zu ziehen, wo er Zugang zur besseren Gesellschaft findet. Er „jammert“ in seinen ersten Briefen, wäre lieber zuhause in Stratford bei den Kindern und an ihrem „weichen, bronzenen Busen“, doch sie feuert ihn an: „Schreiben Sie Dramen, die meinen und Ihren Ruhm mehren“. Nach Stratford darf er erst wieder kommen, „wenn er mindestens zwei Komödien fertig hat“.

Oster und Ungermann kommen mit den einfachsten Mitteln aus, um den Zuschauern die Umstände zu vermitteln, unter denen der junge Künstler, der übrigens acht Jahre jünger war als seine Frau, und Anne korrespondierten. Ein Bett aus Stroh und Sackleinen, auf dem er sich in London in einem Gasthaus räkelt. Sie an einem einfachen Holztisch. Beide schwingen sie die Feder, und wenn der oder die eine schreibt und voller Gefühl, Temperament, Leidenschaft, Schwärmerei, aber auch Melancholie, Traurigkeit, Zweifel und Zorn die Nachrichten an den Partner, die Partnerin laut vorträgt, stehen dem, der anderen die Reaktionen bereits im Gesicht oder in der ganzen Körperhaltung geschrieben. Es kommt heraus, dass sie große Teile seiner Dramen formuliert oder angeregt hat.

Auch die Erotik des Shakespeare’schen Ehelebens als künstlerische Inspiration ist nicht von der Hand zu weisen und sorgt für Schmunzeln beim Publikum. Distanzierter gehen die beiden allerdings im zweiten Teil in ihren Briefen miteinander um. Er ist mittlerweile arrivierter Künstler in London, der nicht heimkehrt, obwohl in der Hauptstadt die Pest wütet. Beide sind nun elegant gekleidet, das Bett ist weiß bezogen, der Tisch hat eine Spitzendecke. Hier glänzen beide auch bei der Darstellung, wie er ihr seinen Besuch bei Königin Elisabeth am Hofe schildert: Oster als herrische Queen, er als trotz seiner Bekanntheit ihr ausgelieferter Künstler. Schließlich kommt er heim nach Stratford und mit ihrer leidenschaftlichen Umarmung endet die Geschichte. Sie fand ihre zweite viel beklatschte Aufführung gestern Abend im Rahmen der neuen Reihe des Kulturkreises „Immer wieder sonntags“. Dabei sorgte Ursula Enke für die passenden Musikarrangements.