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"Das Theater ohne doppelten Boden ("TheodoBo") zeigt, dass es mit dem Gut-gegen-Böse-Spiel nicht getan ist"

(Kreis-Anzeiger 03.06.11)

 

Pressestimme zu "Hexenwerk und Hexenwahn"

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Bloß nicht auf die Liste des Amtmanns Hartlieb kommen...

"TheodoBo" feiert gelungene Premiere der Themenführung "Hexenwerk und Hexenwahn"

von Björn Leo (Kreis-Anzeiger vom 03.06.11)

BÜDINGEN Auf dem Papier scheinen die Rollen klar verteilt. Hier Katharina Wagner, die Frau eines Hufchmieds, gutgläubig, mal unsicher, mal emotional, die eben noch die Nachbarin als brave Bauersfrau bezeichnet, um sie dann als Hexe zu brandmarken. Nicht aus Wut, sondern aus Angst, bloß nicht selbst auf die Liste des Amtmanns Johann Hartlieb zu gelangen. Allein zwischen 1632 und 1634 sind 194 Menschen durch sein Wirken in der Grafschaft Isenburg umgekommen. Und dort der Hofprediger Anton Praetorius, der das Unrecht ahnt und die Folter ächtet. "Der Allmächtige allein entscheidet, wer in den feurigen Pfuhl kommt." Das Theater ohne doppelten Boden ("TheodoBo") zeigt, dass es mit dem Gut-gegen-Böse-Spiel nicht getan ist, wenn es darum geht, die Menschen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Hexenverfolgung einzuordnen.

"TheodoBo" beleuchtet mit der neuen Themenführung "Hexenwerk und Hexenwahn" eine dunkle Epoche der Büdinger Stadtgeschichte. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Akteure einem ernsten Thema widmen. Aber derart intensiv, zuweilen bedrückend, wenn Gerd Ungermann in der Rolle des Pfarrers im nur von einer Fackel erleuchteten Hexenturm die Namen einiger Frauen vorliest, die als Hexen angeklagt und hingerichtet wurden, präsentierte sich "TheodoBo" in den elf Jahren seines Bestehens selten.

Der Regisseurin Sylvia Oster war es ein Herzenswunsch, sich dem Thema anzunehmen. "Diese Frauen, die damals verurteilt und hingerichtet wurden, sind nie rehabilitiert worden, es gibt keine Tafel, die ihr Andenken wahrt", sagt Oster, die im Jahre 2000 für den Verein "Eine Stadt spielt Theater" ("Die Retter der Tafelrunde") zum ersten Mal Regie führte. Sie recherchierte, bekam Unterstützung vom Büdinger Historiker Dr. Klaus-Peter Decker, studierte Schriften von Dr. Walter Nieß, befasste sich mit Heinrich Kramers "Hexenhammer" und begann peu à peu, die Handlung einer Stadtführung zu entwickeln, die an jenen Orten spielt, die im Zusammenhang mit den Hexenprozessen in Büdingen stehen.

Sylvia Oster schlüpft dabei in die Rolle einer Frau, die damals gelebt haben könnte. Sie führt die Gruppe, vermittelt die historischen Rahmenbedingungen, erläutert Figuren, Plätze und Gebäude. Mit Katharina Wagner hat Oster aber auch eine Gestalt geschaffen, die über das Übel laut nachdenkt, das den Menschen damals widerfahren ist: die Kuh, die nicht mehr kalbt, die misslungene Ernte, die Hungersnot, die Pest, der Dreißigjährige Krieg. Sie erzählt vom Schicksal der Schwanen-Wirtin, vom Gefängnis, das einst über der alten Markthalle untergebracht war, von den Reibemalen an der Marienkirche, die Runde durch die Stadt führt zum Folterturm, der diesen Namen allerdings zu Unrecht trägt, zum Hexenturm und zum großen Bollwerk. Und Wagner berichtet von den Foltermethoden: den Beinschrauben, der Streckbank und dem Streckbalken.

Im kühlen Eck am Treppenturm hinter dem Rathaus, das an die einstige Wohnung des Stadtknechts angrenzt, liest Wagner den Brief vor, den der Gefangene Caspar Ruß seiner schwangeren Frau schrieb. Auch Männer sind der Hexerei beschuldigt worden. Ruß gestand den Beischlaf mit einer Teufelin, gab zu, mit einem diabolischen Stecken seinen Stier vergiftet zu haben, obwohl er gar keinen besaß. Später leugnet er sogar Jesus auf der Marterbank, nur, um von den Qualen der Folter erlöst zu werden. Sein Schicksal ist historisch belegt, die Figur des Pfarrers, den Gerd Ungermann spielt, auch. Anton Praetorius ist der ruhige Gegenpol zu Wagner, der ob der Wirren der Zeit hin- und hergerissen ist zwischen seinem Glauben, vorschnellen Urteilen und der Angst der Bürger, für die er Verständnis hat und aufklären möchte.