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"Mit dem „Flüchtling“ von Fritz Hochwälder verdeutlicht Theodobo, dass sie neben dem komischen auch das ernsthafte Fach beherrschen."

(Kreis-Anzeiger 09.07.11)

 

Pressestimme zu "Der Flüchtling"

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Theodobo brilliert mit ernstem Stoff

von OLIVER POTENGOWSKI (Kreis-Anzeiger vom 09.07.2011)

Fritz Hochwälders „Der Flüchtling“ aufgeführt - Regisseur Karger: Mahnung, eigenes Handeln zu reflektieren

BÜDINGEN. „Ich weiß nicht recht, ob man an bei einem solchen Stück gute Unterhaltung wünschen kann“, bereitete Regisseur Markus Karger das Publikum auf die jüngste Inszenierung des „Theater ohne doppelten Boden“, kurz Theodobo, vor. Häufig wird die Theatergruppe mit leichter Unterhaltung und Komik in Verbindung gebracht. Mit dem „Flüchtling“ von Fritz Hochwälder verdeutlicht Theodobo, dass sie neben dem komischen auch das ernsthafte Fach beherrschen.

Das Stück ist unübersehbar von Hochwälders eigenen Erfahrungen mit der Diktatur des Nationalsozialismus bestimmt, wenngleich er das Thema erfolgreich abstrahiert. Auch in der Theodobo-Inszenierung ist die Szenerie der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts an den Kostümen deutlich zu erkennen, ohne dass der historische Zusammenhang, der Hochwälder bewegte, das Stück zu schreiben, konkret angesprochen wird. Denn die Situationen und Konflikte, die beschrieben werden, sind für politische Flüchtlinge typisch.

Das Stück zeigt, wie die Diktatur in das Leben jedes Einzelnen einbrechen kann. Sie zwingt ihn dann, Position zu beziehen. Entweder er wird Täter. Fast genauso zufällig kann er zum Held werden. Unmöglich, sich herauszuhalten, wie sehr man sich auch müht. In Hochwälders Stück erscheint das Schicksal in Gestalt eines Mannes, der sich Massenverhaftungen und Zwangsarbeit durch Flucht entzieht. Auch er brauchte seine Zeit, um den Ernst der Lage zu erkennen. „Zuerst haben sie die Ausländer geholt. Da hat man gesagt: Was geht das uns an? Wer hat den Ausländern gesagt, zu uns zu kommen? Recht geschieht ihnen! - Als dann die ersten von uns geholt worden sind, da haben die Leute nicht mehr so geredet“, beschreibt der „Flüchtling“ das Umdenken.

Weil ihm der Weg über die Grenze versperrt ist, rettet er sich in ein einsames Haus, wo ihn eine Frau im Bett versteckt. „Hier können Sie nicht bleiben“, stellt diese fest, nachdem sie dem Flüchtling ein Frühstück serviert hat. Denn was er nicht ahnt: Der Ehemann seiner Retterin ist Grenzwächter. Wie seine Frau hat er versucht, sich aus den politischen Veränderungen heraus zu halten. „Man soll sich nur kratzen, wenn es einen juckt“, erklärt er seiner Frau, die sich um den Flüchtling sorgt. „Juckt es dich?“ Da weiß er noch nicht, dass seine Frau, während er auf Wache war, den Flüchtling im Bett und, um ihn zu schützen, als ihren Mann ausgegeben hat.

Immer enger ziehen sich so die Schlingen um die Akteure. Gegen den Grenzwächter wird ermittelt, weil er angeblich nachts seinen Posten für ein Schäferstündchen mit seiner Frau verlassen hat. Der Flüchtling sitzt schließlich eingekreist von Bewaffneten im Haus des Grenzwächters fest. Und dessen Frau schließlich findet sich zwischen zwei Männern, mit denen sie Tisch und Bett geteilt hat. In diesem Konflikt hat das bisherige stille Glück des Grenzwächters und seiner Frau keine Chance. Er muss sich zwischen Karriere und Überleben in einer Zeit nach der Diktatur entscheiden. Immer stärker werden seine Gewissensbisse, einen, der sich als unschuldig erweist, an ein Gewaltsystem auszuliefern. „Ich finde, es ist für jeden eine Mahnung, sein eigenes Handeln zu reflektieren“, erklärte Karger, weshalb ihn „Der Flüchtling“ besonders angesprochen habe. Die Inszenierung ließ niemanden im Publikum unbeeindruckt, zumal das Schicksal des Flüchtlings, der Ausgang der Gewissensentscheidung des Grenzwächters letztlich offen bleibt.